Best-Practise-Analyse zu E-Partizipation aus Österreich

neu&kühn, Begleiter und Entwickler von Online-Projekten mit Öffentlichkeitsbeteiligung, stellte im Rahmen der Projektgruppe E-Democracy & E-Participation am 8. April 2010 ihre kürzlich veröffentlichte Analyse vor. Im Rahmen einer Best Practice-Analyse wurden 30 internationale E-Partizipations-Beispiele untersucht und Erfolgsfaktoren für eine qualitative Zusammenarbeit aufgezeigt. Die Analyse versteht sich als Leitfaden für Verwaltung, Politik und Institutionen. Die AutorInnen Kirsten Neubauer und Peter Kühnberger sehen Social Media als Möglichkeit für Dialog, Vertrauensbildung und Mobilisierung.

Nutzen von E-Partizipation

Im Vergleich zu anderen Formen der Bürgerbeteiligung hat die Partizipation über das Internet oder über Mobiltelefone besondere Potentiale. Durch die Einbeziehung des Wissens der BürgerInnen kann mehr Transparenz und damit mehr Akzeptanz für politische Arbeiten und Entscheidungen erreicht werden. Politik und Verwaltung können sich durch diese Maßnahmen zeitgemäß und bürgernah positionieren und das demokratische Verständnis der Bevölkerung stärken – sofern sie nicht dabei zusehen wollen, wie der Dialog im Internet ohne sie geführt wird. Dann kann E-Partizipation eine spannende Ergänzung zur repräsentativen Demokratie darstellen. Während in Deutschland z. B. bereits 67 Städte über einen Online-Bürgerhaushalt verfügen, sind vergleichbare Konzepte in Österreich erst voranzutreiben.

Konzeption der Analyse

Untersucht wurden E-Partizipations-Beispiele jeglicher Größenordnung. Von kleinen Kommunen mit beispielsweise 2.500 EinwohnerInnen bis zu Millionenstädten.

Best Practise

Die folgenden elektronischen Beteiligungsformen stellen eine Auswahl der analysierten Projekte aus den Bereichen Umwelt, Schadensmeldung, Budget und Stadtentwicklung dar. Die Mutterländer der Projekte befinden sich im anglo-amerikanischen Raum und in Skandinavien. Dort sind sowohl lokale als auch nationale Initiativen der Mitgestaltung zu finden, während man sich im deutschsprachigen Raum eher auf regionale Themen beschränkt.

Stadtentwicklung: Essen muss leiser werden

Im Rahmen dieses Projektes zur Lärmreduktion zeigten BürgerInnen Einsparungspotentiale auf, steigerten die Akzeptanz des Vorhabens und unterstützen die PlanerInnen. Auf einer Karte wurden „Lärmorte“ angelegt, Vorschläge eingebracht und von den TeilnehmerInnen kommentiert und bewertet. Insgesamt wurden auf der Plattform 943 Vorschläge und 1.143 Kommentare von 1.100 BürgerInnen eingebracht und daraus konkrete Maßnahmen entwickelt, die in einer zweiten Phase priorisiert und durch ein Paket mit Sofortmaßnahmen (z. B. Förderung von Lärmschutzfenstern) beschlossen wurden.

Schadensmeldungen: FixMyStreet

Bei diesem Projekt werden Bürgeranliegen, Schadensmeldungen, Verschmutzung u. ä. über ein Online-Bürgertelefon per Internet oder Mobiltelefon gemeldet und die weitere Behandlung nachvollziehbar gezeigt. Die beschriebenen Orte werden auf einem Online-Stadtplan vermerkt. Ein weiteres Projekt aus dem Bereich Schadensmeldung durch BürgerInnen ist der Maerker Brandenburg.

Finanzplanung: Bürgerhaushalt Köln

Unter dem Motto „Deine Stadt – Dein Geld“ wurden im November 2009 bereits zum zweiten Mal Ideen und Bewertungen gesammelt. Rund 10.000 KölnerInner haben sich aktiv beteiligt und 1.254 Voerschläge mit 4.664 Kommentaren und 38.470 Bewertungen abgegeben. Die 100 am besten bewerteten Vorschläge wurden nachfolgend auf Umsetzbarkeit und Kosten überprüft und zur Entscheidung weitergeleitet. Die Umsetzungsschritte können auf der Internetseite nachverfolgt werden.

Wovon bei der Konzeption von E-Partizipationsprojekten abzuraten ist

  • Führung eines allgemeinen Forums ohne Moderation
  • Auswahl eines emotional wenig ansprechenden Themas
  • Keine Klarheit und Transparenz bei den Vorschlägen, der Wirkung und dem Ablauf
  • Anonyme Antworten der Verwaltung ohne Verbindlichkeit

Empfehlungen für erfolgreiche E-Partizipationsprojekte

Erfolgreiche Projekte weisen ähnliche Muster bei der Planung und Umsetzung auf. Die Orientierung an diesen Mustern minimiert somit die Projektrisiken.

  • Ein erfolgreicher Aufbau weist die Phasen Information, Dialog und Rückmeldung auf.
  • Das Thema muss an die Lebenswelt der BürgerInnen anknüpfen und wirklich interessieren.
  • Die Kombination verschiedener Partizipations-Werkzeuge ist erfolgversprechend.
  • Online-UserInnen werden mit ihren Beiträgen ernst genommen und die Antworten zeitnah, persönlich und konkret formuliert
  • Durch konkrete Fragestellungen werden Beleidigungen oder allgemeine Unmutsäußerungen verhindert

Evaluation und Themenauswahl: Weiterführende Überlegungen

In der Diskussion wurde thematisiert, inwieweit E-Partizipation bei bestimmten Projekten (z. B. Verkehrsplanung) bestimmte Bevölkerungsgruppen, die im Internet wenig aktiv sind, automatisch ausschließen könnte. Die Kombination von On- und Offline-Werkzeugen ist daher nach wie vor anzustreben. Wichtig ist auch, zwischen Evidenzen und reinem Potential zu entscheiden. Eine Evaluierung der Projekte, die auch die Befragung von BürgerInnen beinhalten sollte, ist daher wichtig. Unbestreitbar ist jedoch, dass die Diskussion und Teilnahme im Internet auch ohne Angebote von offiziellen Stellen bereits rege im Gange ist. Die Frage lautet daher, wie Inhalte für das Leben im Netz optimal aufbereitet werden können. Vor Wahlen laufen E-Partizipationsprojekte außerdem Gefahr, als reine Kampagnen und Marketingaktivität wahrgenommen zu werden.

Die kostenloste Zusammenfassung der Studie ist unter www.neuundkuehn.at zu beziehen.

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